Hefe als Bio-Fabrik: Wie ein molekularer Wegweiser die Proteinproduktion revolutioniert

AUTHORS

Merkaš, M., Grujicic, N., Geier, M., Glieder, A., & Emmerstorfer-Augustin, A.

Die effiziente und hochwertige Herstellung komplexer Proteine, die beispielsweise als Medikamente oder für die Industrie benötigt werden, ist eine große Herausforderung. Ein molekularer „Wegweiser“ namens MFa-Signalsequenz in Hefezellen spielt hier eine entscheidende Rolle. Dieses Forschungsteam hat die Entwicklung und Optimierung dieser Signalsequenz umfassend beleuchtet, um die Produktion wichtiger Proteine zu verbessern. Trotz ihrer Bedeutung sind Fehlleitungen und Verarbeitungsfehler der Signalsequenz noch Hürden. Die Studie zeigt vielversprechende Strategien wie Gen-Modifikationen oder Zell-Engineering auf, die dazu beitragen, diese Bio-Fabriken noch leistungsfähiger zu machen. Ziel ist es, die Herstellung therapeutischer und biotechnologisch relevanter Proteine zu optimieren und somit neue Anwendungen in Medizin und Industrie zu ermöglichen.

Hefe als High-Tech-Produktionsstätte: Ein optimierter molekularer Wegweiser für die Zukunft

In einer Welt, in der die Nachfrage nach hochwertigen Proteinen für Medikamente, Impfstoffe und industrielle Enzyme stetig wächst, sind effiziente Produktionssysteme von größter Bedeutung. Hefezellen, insbesondere die Art Komagataella phaffii (früher Pichia pastoris), haben sich dabei als wahre „Bio-Fabriken“ etabliert. Doch wie schaffen es diese mikroskopisch kleinen Zellen, komplexe Proteine präzise zu produzieren und auszuschleusen? Ein entscheidendes Element ist dabei ein molekularer „Wegweiser“: die sogenannte MFa-Signalsequenz. Eine aktuelle Übersichtsstudie im Fachjournal Applied Microbiology and Biotechnology beleuchtet die Herausforderungen und Innovationen rund um diese Signalsequenz. Die Arbeit wurde von Magdalena Merkaš, Nina Grujicic, Martina Geier, Anton Glieder und Anita Emmerstorfer-Augustin verfasst, die an der TU Graz, der Bisy GmbH, am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib GmbH) und BioTechMed-Graz forschen.

Der molekulare Wegweiser: wie Proteine ihren Weg finden

Proteine, die außerhalb der Zelle wirken sollen, benötigen eine spezielle „Adresse“, die sie durch zelluläre Transportwege leitet. Diese Adresse ist die MFa-Signalsequenz, ein kurzes Peptid, das an das zu produzierende Protein angehängt wird. Ursprünglich wurde sie in der Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) entdeckt, wo sie bei der Zellkommunikation hilft. Durch das Anfügen dieser Signalsequenz kann man Proteine in der Hefe so umleiten, dass sie ins Zellinnere transportiert und schließlich ausgeschieden werden – ein Prozess, der als Proteinsekretion bekannt ist. Das vereinfacht die spätere Reinigung und senkt die Produktionskosten erheblich.

Doch der Weg ist nicht immer geradlinig. Die Signalsequenz durchläuft in der Zelle mehrere Verarbeitungsschritte, bei denen bestimmte Enzyme, wie die Proteasen Kex2 und Ste13, wie molekulare „Scheren“ wirken und unerwünschte Proteinabschnitte entfernen. Wenn diese Schritte nicht perfekt ablaufen, kann es zu Problemen kommen: Das Protein wird falsch sortiert, verklumpt im Zellinneren oder wird unvollständig prozessiert. Gerade in Komagataella phaffii ist die Effizienz der Ste13-Protease oft geringer als in der Bäckerhefe. Solche Fehler können die Ausbeute und Qualität des Endprodukts massiv beeinträchtigen – ein großes Hindernis, besonders bei Medikamenten, die strenge Qualitätsanforderungen erfüllen müssen.

Forschung am Limit: innovationen für höhere Effizienz

Um diese Engpässe zu überwinden, hat die Forschung in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht, die in der vorliegenden Studie zusammengefasst werden:



  • Maßgeschneiderte Signalsequenzen: Wissenschaftler verändern die MFa-Signalsequenz gezielt durch Mutationen – also kleine Änderungen in der Abfolge der Bausteine. Diese Anpassungen können die Sekretionseffizienz stark verbessern. So wurde beispielsweise durch den Austausch einzelner Aminosäuren die Ausschleusung von Antikörperfragmenten oder dem Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktor, einem therapeutisch wichtigen Protein, deutlich erhöht.
  • Hybrid-Signale: Eine weitere Strategie ist die Kombination von Teilen der MFa-Signalsequenz mit anderen Signalpeptiden. So wurde eine Hybridsequenz aus dem pre-Ost1-Leader und der pro-MFa-Region entwickelt. Diese Kombination zeigte bei bestimmten Proteinen, wie dem Rotfluoreszenzprotein E2-Crimson oder dem Enzym Lipase 2, eine bis zu zwanzigfache Effizienzsteigerung.
  • Optimierung der Hefezellen: Nicht nur der molekulare Wegweiser selbst, sondern auch die Hefezellen als Produktionsorganismus werden optimiert. Dies reicht von der Wahl der richtigen Hefestämme und Promotoren (Startschaltern für die Proteinproduktion) bis hin zur „Zell-Engineering“. Dabei werden die zelleigenen Mechanismen, wie die sogenannte „Unfolded Protein Response“ (UPR) – eine Art zelluläre Qualitätskontrolle bei Proteinfehlfaltung – gezielt verbessert, um Stress zu reduzieren und die Faltung der Proteine zu unterstützen.


Künstliche Intelligenz und High-Throughput-Screening: Moderne Bioinformatik und maschinelles Lernen ermöglichen es, tausende potenzieller Signalsequenzen zu analysieren und zu entwerfen. Gekoppelt mit Hochdurchsatz-Screening-Methoden können so schnell neue, noch effizientere Signalpeptide identifiziert werden.

Potenzial für Österreich und den internationalen Wettbewerb

Die vorgestellten Forschungsergebnisse haben weitreichende Implikationen. Sie tragen dazu bei, die Produktion von Proteinen für pharmazeutische Anwendungen, wie etwa Insulin oder Antikörper, zu optimieren. Auch für die Industrie sind verbesserte Enzymproduktionen von großem Nutzen, zum Beispiel in der Lebensmittel- oder Biotechnologie. Die Forschung unterstreicht, dass es noch keinen universellen „Wegweiser“ gibt, der für jedes Protein gleichermaßen gut funktioniert, und dass oft maßgeschneiderte Lösungen erforderlich sind. Diese Forschung ist für Österreich von großer Bedeutung. Die Beteiligung von Institutionen wie der TU Graz, der Bisy GmbH, dem acib GmbH und BioTechMed-Graz, unterstützt durch namhafte Förderprogramme wie das FFG-Bridge-Projekt „ProSek“ und das COMET-Zentrum acib, zeigt, dass Österreich in diesem hochrelevanten Feld international wettbewerbsfähig ist. Durch solche Projekte wird nicht nur die Grundlagenforschung vorangetrieben, sondern auch die Verwertung der Ergebnisse in konkrete Anwendungen gefördert. Dies stärkt den Forschungsstandort Österreich, schafft Arbeitsplätze und trägt zur Entwicklung einer wissensbasierten Wirtschaft bei, die innovative Lösungen für globale Herausforderungen in Gesundheit und Biotechnologie liefert. Die kontinuierliche Innovation in Proteinsekretionssystemen ist entscheidend, um den steigenden Bedarf an hochwertigen Biopharmazeutika und biotechnologischen Produkten zu decken.